St. Pankratiuskirche

Die Dorfkirche Tragnitz

Die Dorfkirche Tragnitz liegt malerisch am Ufer der Mulde unterhalb des Leisniger Burgberges. Sie bildet zusammen mit Schulhaus und Pfarre, die beide im 19. Jahrhundert neu erbaut wurden, den Kern des kleinen Dorfes Tragnitz

Bau und Bildwerke des Mittelalters

Die ursprüngliche Bedeutung der Dorfkirche als vermutlich erste Tauf- und Missionskirche der Gegend ist heute nicht mehr ersichtlich. Ihre ältesten Teile entstanden im 15. Jahrhundert, vermutlich im Zuge der 1491 erfolgten Erweiterung des Tragnitzer Kirchsprengels um die Dörfer Fischendorf, Zollschwitz, Hetzdorf, Görnitz, Zeschwitz und Zennewitz. Die spätgotische Kirche präsentierte sich mit dem erhaltenen stattlichen, in drei Seiten eines Achtecks geschlossenen Chor, einen niedrigeren, wohl noch romanischen Schiff, das ein spitzer Dachreiter bekrönte, und einem leicht aus der Achse nach Norden verschobenen Westturm unter Satteldach. Die Strebepfeiler am Chor weisen darauf hin, dass ein Gewölbe geplant war; ausgeführt wurde jedoch nur eine flache Holzdecke.

Im Inneren hat sich aus dem späten 15. Jahrhundert das aus Porphyr gehauene Sakramentshäuschen erhalten, das sich über einem Säulchen mit einer schmiedeeisernen Gittertür öffnet und im Bogen das Antlitz Christi zeigt. Etwas älter, gegen 1460 entstanden, ist die künstlerisch hochrangige Madonnenfigur (heute an der Emporenbrüstung), ein hölzernes Bildwerk mit nachträglicher Überfassung. Dargestellt ist Maria als gekrönte Himmelskönigin, die auf einer Dämonenmaske steht, welche die Überwindung des Bösen symbolisiert. In der S-förmigen Körperbewegung, dem zarten Gesichtsausdruck und dem eleganten Schwung der Faltenkaskaden folgt das Werk dem Typus der „Schönen Madonnen“ der Zeit um 1420.

 Ein weiteres mittelalterliches Ausstattungsstück ist das heute unter der Orgelempore aufgestellte sechsplätzige gotische Gestühl aus Eichenholz, dessen Wangen virtuos geschnitzte, durchbrochene Weinrankenornamentik und feines Stabwerk zeigen. Es stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und kam wahrscheinlich nach der Reformation aus der Kirche des Zisterzienserklosters Buch nach Tragnitz.

Die barocke Ausstattung

Als 1637 die durchziehenden Schweden das Land verwüsteten, wurde auch die Tragnitzer Kirche in Mitleidenschaft gezogen. Ab 1652 erfolgte eine Renovierung und Neuausstattung des Kircheninneren, die laut der Inschrift auf der Rückseite des neuen Altares am 19. November 1659 weitgehend abgeschlossen war, später ergänzt durch ein nicht mehr erhaltenes Orgelpositiv und die dekorative Ausmalung durch den Maler Tobias Perthes (1688).

Als erstes neues Ausstattungsstück entstand 1652-1653 die Kanzel an der Südseite des Chorbogens. Am Aufgang sind das Gleichnis vom Samariter und die Himmelsleiter Jakobs dargestellt – ein Aufruf zur Barmherzigkeit als Mittel zur Vervollkommnung des christlichen Lebensweges. Auf die Verkündigung des Gotteswortes  wird sodann mit den Darstellungen von Moses, Christus und den vier Evangelisten zwischen den gewundenen Säulchen am Kanzelkorb aufmerksam gemacht. Sie werden überhöht von der Taube des Heiligen Geistes im Schalldeckel und einer Weltkugel mit Strahlenkranz darauf.

Höhepunkt der barocken Ausstattung ist der Altar von 1659, ein dreigeschossiges hölzernes Retabel mit zurückhaltender Ornamentik und klarem architektonischem Aufbau. Geschaffen wurde es wie jenes in der Matthäikirche vom Bildhauer Valentin Otte und dem Maler Johann Richter aus Meißen. Seine Darstellungen rufen zum Gedächtnis des Todes Christi auf, zum Opfer als der Voraussetzung für die Erlösung. Über der Predella mit der Darstellung des Abendmahles und entsprechenden Inschriften zeigt die Hauptzone in der Mitte vor goldenem Hintergrund die Kreuzigungsgruppe. In den seitlichen, säulen-gerahmten Ädikulen stehen die Figuren der Evangelisten Matthäus und Johannes und darüber Markus und Lukas sowie Engel mit den Marterwerkzeugen Christi.  Auf den seitlichen Medaillons sind als alttestamentliche Vergleiche zum Kreuzestod die Aufrichtung der Ehernen Schlange und die Opferung Isaaks dargestellt; das Auszugsbild zeigt die Kreuzabnahme, bekrönt von der Figur des Auferstandenen. 

An der Nordseite des Chores ragt der hochgelegene Schüler- oder Singechor in den Raum vor, eine kleine Empore, wo die musikalischen Begleiter des Gottesdienstes Platz fanden. Entsprechend zeigen die zwölf bemalten Brüstungsfelder Darstellungen von alttestamentlichen Episoden, in welchen Musik zum Lobpreis Gottes eine Rolle spielt. Nebst dem um 1660 entstandenen, nicht bemalten Kirchvorstehergestühl in den Formen der späten Renaissance haben sich im Chor seitlich zwei barocke Beicht- und Betstühle erhalten. Sie sind Zeugnisse für die in Sachsen bis ins 18. und 19. Jahrhundert übliche evangelische Einzelbeichte. Der größere Beichtstuhl ist mit Darstellungen und Sprüchen geschmückt, die zur Demut auffordern, zum Geständnis der Sünden: “Gottes Auge Siehet alles“ heißt es in der Bekrönung.

Der Neubau des Langhauses 1904

Abgesehen von kleinen Veränderungen wie der Einbau einer neuen Empore 1735, einer Renovation 1845 und dem Erwerb eines neogotischen Taufsteines und Lesepultes um 1900, blieb die Kirche mit ihrem reichen barocken Interieur bis ins 20. Jahrhundert unverändert. Cornelius Gurlitt bezeichnete sie 1902 als „die schönste Kirche dieser Art, die ich im Lande kenne, eine Perle, die nicht beschädigt werden sollte.“

Der Erhaltungszustand und die Enge des Raumes erforderten jedoch eine Erneuerung und Vergrößerung. Unter Gurlitts Einfluss konnte dafür der bedeutende Jugendstilarchitekt Fritz Drechsler gewonnen werden. Nach seinen Plänen wurde 1904 das Schiff durch einen aus Porphyr errichteten Neubau mit markanten dreiseitigen Rechteckfenstern ersetzt und der Turm um ein Glockengeschoß und einen (1973 entfernten) Dachreiter erhöht. Im Innern blieb die barocke Ausstattung erhalten, die Deckenfelder mit ihrer blauen Rankenmalerei wurden wieder verwendet. Der Malerische Charakter konnte  dadurch bewahrt werden; mit den Emporen und den Engelmedaillions geschmückten Leuchtern wurde er sogar um einfühlsam angepasste neue Ausstattungsstücke ergänzt. Für die Malerei zog Drechsler den Leipziger Künstler Paul-Horst Schulze bei. Dieser schuf die musizierenden Engel an der Chorwand, die Darstellung des Christkönigs auf den Himmelsthron an der Decke und die Entwürfe für die beiden Glasbilder im Schiff. Sie zeigen südlich die Kreuzigung (Karfreitag), seitlich begleitet von Petrus und Paulus mit den Stiftern des Bildes, und nördlich das Grab des Auferstandenen mit den drei Marien, Magdalena und Johannes (Ostern). Die Tragnitzer Kirche stellt so ein schönes Beispiel für das erfolgreiche, Altes und Neues harmonisch verbindende Wirken der sächsischen Denkmalpflege um 1900 dar. In den 1920er Jahren erfolgte der Einbau einer neuen Orgel, 1924 wurde ein neues Geläut eingeweiht und in den 1960er bis 1980er Jahren wurden trotz der staatlich bedingten Erschwernisse die nötigsten Erhaltungsarbeiten unter großem Einsatz der Kirchvorsteher und der Gemeinde ausgeführt. Es ist zu hoffen, dass dieses Kleinod unter den sächsischen Dorfkirchen weiterhin die nötige Aufmerksamkeit erfahren wird, damit es als lebendiges Zeugnis einer reichen kulturellen Tradition auch in Zukunft seiner Bestimmung gerecht werden kann.

 Marius Winzeler (aus: Die Kirchen vor Leisnig und Tragnitz, Verlag Stekovics, 1996)

Renovierungsmaßnahmen und Gemeindeleben

Durch das Hochwasser 2002 wurde auch die Tragnitzer Kirche in Mitleidenschaft gezogen, so dass der Fußboden, die Podeste und die Heizung im Kirchenschiff erneuert werden mussten.

Umfangreiche Baumaßnahmen nahmen im Herbst 2005 ihren Anfang. Der erste Abschnitt bezog sich dabei auf den Altarraum, von dessen Holzdecke immer häufiger   Farbstücke   abfielen.   Außerdem   breitete   sich   vom   Dach  her  der Schwamm immer weiter aus. Dank der Unterstützung der Stadt Leisnig, durch die Förderung der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, Gelder vom Regierungspräsidium und der Sächsischen Landeskirche sowie natürlich unzähliger kleiner und großer Spenden von Gemeindegliedern wurde diese Baumaßnahme in Höhe von weit über 200.000 Euro möglich. 

Kompliziert gestaltete sich die Renovierung des Kirchenschiffs. Während dieser Arbeiten stellte sich heraus, dass fast die gesamte Zwischendecke bis hin zur Orgel mit Schwamm befallen war. Somit kam für diese Baumaßnahme am Ende die stattliche Summe von rund 432.000 Euro zusammen. Einen Großteil der Gelder erhielten wir über die Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, vom Regierungspräsidium, von der Sächsischen Landeskirche, über die Stadt Leisnig sowie von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Diese Unterstützer hielten uns weiterhin die Treue und neue Förderer, wie die Stiftung KiBa kamen hinzu, so dass der dritte Bauabschnitt angegangen werden konnte. 

2014 feierten wir mit zahlreichen Veranstaltungen sowie einer Dauerausstellung „800 Jahre St.-Pankratius-Kirche“. Zum größten Geburtstaggeschenk wurde jedoch die Durchführung des dritten Bauabschnitts. Dabei wurde nicht nur der Kirchturm saniert, sondern er erhielt auch wieder seine Spitze. Außerdem wurden in Gescher bei PETIT & GEBR. EDELBROCK zwei neue Bronzeglocken gegossen – mit Motiven der Künstlerin Maria Ondrej. Die Kosten für diese Baumaßnahmen betrugen mehr als 380.000 Euro.

Zum 1. Januar 2017 vereinigten sich die Tragnitzer und die Leisniger Kirchengemeinde zur Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Leisnig-Tragnitz. Diese Aufschrift steht somit auf der Rückseite der dritten Glocke, die im Reformationsjubiläumsjahr gegossen und Ostern 2018 geweiht wurde.

Als nächste Maßnahme steht nun die dringend notwendige Restaurierung des einen Beichtstuhles sowie der Kanzel an. Doch nicht nur die Spenden sind entscheidend, sondern in erster Linie ein gelebter Glaube in diesem Gotteshaus.

Alle sind herzlich eingeladen – besonders natürlich zu den Gottesdiensten und den kirchenmusikalischen Veranstaltungen. Vielleicht sehen wir uns bei einer der vielen Veranstaltungen in dieser einzigartig schönen Kirche. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

Katja Schulze, Pfarrerin

Spenden können vor Ort gegeben bzw. auf das Konto IBAN: DE62 3506 0190 1670 4090 20 (Verwendungszweck: Kirche Tragnitz sowie eigene Adresse – aufgrund der Spendenbescheinigung) eingezahlt werden.                 
Vielen Dank!

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